Kommentar von Marcel Courth

Events & Corona: Zeit für Konzepte

Nach der Schockstarre und das darauffolgende riesige Engagement für finanzielle Unterstützung, muss jetzt Phase 3 gezündet werden: Wir brauchen Konzepte, wie man Events zukünftig stattfinden lassen kann unter verschiedenen Voraussetzungen.

(Bild: Pixabay)

 

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Flatten the curve und Lockdown waren die zuletzt meist genutzten Begriffe in der Diskussion rund um die Maßnahmen im Zuge der Covid-19 Krise. Zuletzt änderte sich etwas die Tonalität, die anfängliche ehrfürchtige Hinnahme aller Maßnahmen ändert sich langsam hin zu einer inhaltlichen Diskussion. Endlich kommen die vielen Punkte in die Diskussion, die in den ersten Wochen völlig belanglos schienen. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war ein schneller Shutdown und die Absagen aller Veranstaltungen der richtige Weg, um Zeit zu gewinnen. Haben wir gemacht, haben wir geschafft. Aber – und da spreche ich sicherlich das aus, was viele denken – wir haben erwartet, dass so langsam Pläne entwickelt werden, die klare Strategien aufweisen für das Miteinander in unserem Land, sowohl auf soziologischer Basis als auch wirtschaftlicher. Die Wissenschaftsakademie Leopoldina hat bereits klar gemacht, eine Schrittweise Rückkehr zur „Normalität“ erscheint wissenschaftlich sinnvoll und haltbar. Eine Forderung im Gutachten heißt: „Vielfältige Perspektiven in die Abwägungsprozesse einbeziehen“. Darin heißt es, dass staatliche verordnete Maßnahmen immer auch Einschränkungen anderer Rechtsgüter nach sich ziehen. Daher empfiehlt das Gutachten eine Mehrdimensionalität der Probleme anzuerkennen und die Perspektive der unterschiedlichen Betroffenen einzubeziehen.

Perspektiven einbeziehen

Dieses Einbeziehen von verschiedenen Perspektiven zur bestmöglichen Klärung einer Problematik muss auch in Wirtschaftsfragen angewandt werden. Wir werden schrittweise zur Normalität zurückkehren müssen, der Staat ist auch nur bedingt in der Lage, finanzielle Hilfen zur Verfügung zu stellen. Andernfalls stößt die soziale Marktwirtschaft irgendwann zwangsläufig an ihre Grenzen. Ganz zu schweigen von den soziologischen Auswirkungen einer isolierten Gesellschaft. Darin darf auch nicht vergessen werden, dass aktuell ganze Wirtschaftszweige vorne voran der Gastronomie-, Tourismus- und unser Kultursektor vor dem Aus stehen und damit Hundertausende, wenn nicht Millionen Menschen ihre Existenz, mindesten den Job, verlieren werden und den Sozialstaat noch mehr belasten.

Also werden wir nicht umhinkommen uns als Gesellschaft zu fragen, wie viel Risiko wir eingehen wollen, um am Ende nicht nur die Gesundheit und das Leben zu schützen, sondern auch als Volk festzulegen, wie viel uns ein gesundes Zusammenleben bedeutet. Dass diese Frage nicht grundsätzlich für alle nach dem „One fits all-Prinzip“ geklärt werden kann, erscheint logisch – zu verschiedenen die Notwendigkeiten aber auch Voraussetzungen. Und auch der Zeitpunkt wird jeweils unterschiedlich sein. Aber unumgänglich sind Diskussionen, bei denen alle beteiligten Perspektiven gehört und einbezogen werden.

Nächste Phase

Nehmen wir mal unsere Industrie – eine Branche dessen DNA die Live-Kommunikation ist, ob Musik, Theater, Networking oder Business. Der Shutdown hat bekannter Weise zu einem hundertprozentigem Stillstand geführt. Finanzielle Hilfe ist grundsätzlich – wenn auch nicht wirklich für alle gut und ausreichend – bereits angelaufen. Das sind jedoch alles nur kurzfristige Hilfen, die über eine gewisse Phase hinweghelfen können. Sprechen wir also über die Definition von „gewisse Phase“! Wie lange wird die Phase gehen und wann können die Firmen, Musiker und Künstler wieder anfangen zu arbeiten? Denn klar ist, bis tief ins Jahr 2021 wird die Industrie nicht überleben und so lange kann auch niemand die Kosten tragen – also wir Steuerzahler.

Marcel Courth
„Wir brauchen Events, sonst geht bald das Licht aus …“ Marcel Courth, Chefredakteur (Bild: Dieter Stork)

Mittlerweile ist klar, bis zum 31. August wird es keine Großveranstaltungen mehr geben. Die so wichtige Festivalsaison ist dahin und mit ihr auch die letzten Resthoffnungen einiger bereits jetzt kurz vor der Insolvenz stehenden Unternehmen. Aber aus dieser Ankündigung lässt sich grundsätzlich ein Hoffnungsschimmer herausziehen. Wenn nur Großveranstaltungen verboten sind, sollten Events, die nicht unter diese Definition fallen ja möglich sein. Nur gibt es leider keine einheitliche Richtlinie – dies ist Ländersache. Stellt sich die Frage, ob es von einer Landesgrenze zur nächsten wirklich so starke Unterschiede gibt, dass man keine einheitliche Regelung verbindlich festlegen kann. Denn anstatt man ein Fachgremium einrichtet bestehend aus Virologen, Wissenschaftlern, Veranstaltern, Vertretern der Kommunen, Locationbetreiber, Dienstleistern aus dem Bereich Sicherheit und der Politik und dann daraus dann jeweils bindende Richtlinien erstellt, wird die ganze Problematik auf 16 Bundeländer herunter delegiert. Man kann bezweifeln, dass der Prozess so schneller, besser und zielführender wird. Eigentlich müsste man vom Bund – einem „Unternehmen“ mit fast unendlichen Mitteln – erwarten können, dass dort die besten Führungskräfte arbeiten und diese schnell und effizient auf Situationen reagieren können, bzw. vorbereitet sind auf solche Krisen. Wenigstens der Bund kann sich nicht gänzlichen rausreden, dass eine Pandemie hervorgerufen durch Viren komplett Neuland ist. Auch wenn natürlich gerade die Probleme aus allen Richtung auf die Verantwortlichen niederprasseln. Aber umso wichtiger erscheint es doch im Krisenmanagement, Problemfelder zu identifizieren, Aufgaben zu delegieren, Fachgruppen zu erstellen und Lösungen zu erarbeiten.

Nicht auf fremde Hilfe hoffen

Aber in dieser Thematik scheinen wir auch selbst gefragt. Wir müssen selbst Konzepte erstellen – Veranstalter, Locationbetreiber, Agenturen und Dienstleister. Es gibt sicher Ansätze und Lösungen, wie man Hygienemaßnahmen auch bei Liveveranstaltungen umsetzen kann, die eben zum definierenden Kompromiss aus Gesundheit und der Verantwortung eines Miteinanderlebens korrelieren. Ideen wären, Konzerte mit reiner Bestuhlung und ausreichenden Abständen, unterschiedlichen Einlasszeiten, damit sich am Eingang keine Menschen knubbeln, Mundschutz und Desinfektionsstationen – nur einige Möglichkeiten … Auch könnten Veranstaltungen auch nach ihrer Art differenziert betrachtet werden – ein Rockkonzert mit Moshpit sollte eine andere Infektionsgefahr bieten, als eine Businessveranstaltung. Darauf zu vertrauen, dass gute Lösungen top down kommen werden, scheint derzeit nicht die hoffnungsvollste Variante. U.a. der EVVC und auch der FAMAB haben bereits Vorschläge erarbeitet, die als Diskussionsgrundlage dienen sollen. Stellt sich natürlich die Frage, ob eine gemeinsam erarbeitete Lösung nicht der bessere Schritt wäre.

Auch wenn vielen beim Wort Lobby der Mundschutz in den Schritt rutscht, so muss jetzt Lobbyarbeit stattfinden. Aktuell laufen wir ob unserer gesamtwirtschaftlichen Bedeutung einfach zu sehr unter dem Radar. Wir sind zwar auch abhängig von der Entwicklung, aber wir können uns zusammen mit der Politik vorbereiten auf unterschiedliche Szenarien. Was bleibt uns auch anderes übrig – dieser Weg scheint alternativlos …

Unterstützt die Verbände und nutzt jede Gelegenheit, um auf unsere Situation aufmerksam zu machen.

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